Pfullendorf – Als historische Versammlung bezeichnete Bürgermeister Ralph Gerster die Mitgliederversammlung der vor 121 Jahren gegründeten Volksbank (Voba). Die Einordnung des Rathauschefs erfolgte aus gutem Grund – schließlich sollten die 271 Mitglieder am Dienstagabend in der Stadthalle über Historisches entscheiden – die Fusion der Volksbank Pfullendorf mit der Volksbank Meßkirch. Nach mehrstündiger Diskussion scheiterte das über Monate geplante Vorhaben. Die Rahmenbedingungen hätten sich für kleine Banken drastisch verändert, begründete Bankdirektor Werner Groß das Vorhaben und nannte beispielhaft die überbordende Regulatorik und Digitalisierung. Deshalb wolle man sich gemeinsam langfristig strategisch positionieren, und diese Herausforderungen annehmen. Die geplante Fusion sei keiner wirtschaftlichen Notlage geschuldet, erklärte Groß und versicherte: „Alle Standorte bleiben erhalten und alle Mitarbeiter werden übernommen“, wobei die Geschäftsstellen Pfullendorf und Meßkirch als Kompetenzzentren ausgewiesen würden. Geführt würde die Volksbank Meßkirch-Pfullendorf dann von einem Vorstandsquartett und überwacht von einem 13-köpfigen Aufsichtsrat, mit fünf heimischen Vertretern. Dies, obwohl die Voba Meßkirch doppelt so groß sei wie Pfullendorf. Pfullendorfer Kunden würden eine neue IBAN-Nummer erhalten, eine technisch unproblematische Lösung. Für die Jahresversammlung sollten je 50 Mitglieder künftig ein Vertreter entsandt werden. Dass der potenzielle Fusionspartner aus der Heidegger-Stadt wirtschaftlich sehr gut aufgestellt ist, bestätigte, Rene Heinrich vom Genossenschaftsverband. Er hatte die geplante Fusion begutachtet und präsentierte den Mitgliedern die Prüfergebnisse. Angesichts des Strukturwandels im Banken-und Finanzsektor mit Regulierung, Digitalisierung und neuen Wettbewerbern gab es ein klares Ja von ihm, um die Existenz der heimischen Banken langfristig zu sichern.
Dann war die Zeit für die Aussprache über die Fusionspläne gekommen. Michael Zoller erfuhr, dass die Fusion zum 1. Januar 2023 wirksam und dass die Altersstruktur in den nächsten Jahren für eine Verkleinerung des Vorstandes sorgen würde. „Wir haben eine gute Bank“, bekannte Günter Kratzer, dass er wegen der Partnersuche Bauchweh habe. Er sprach sich gegen die Fusion aus. „Zwei gesunde Banken gehen zusammen“, wies Aufsichtsratsvorsitzender Roland Brucker nochmals auf die Widrigkeiten für kleinere Geldhäuser hin. Wilfried Jerg, der im Vorfeld mehrere Anträge zum „Tagesordnungspunkt Fusion“ gestellt hatte, erinnerte an den Gründungsgedanken der Voba Pfullendorf, der nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet gewesen sei. Zudem befürchtet er, dass „Kompetenz nach Meßkirch abwandert.“ Über Jerg’s Antrag, die Fusionsabstimmung geheim durchzuführen, musste nicht entschieden werden, da dies ohnehin in der Tagesordnung vorgesehen war. Als „komisch“ bezeichnete Walter Kaltenbach die Tatsache, dass in der Hauptversammlung 2022 kein Wort über die Fusionspläne verloren wurde, diese aber Tage später im SÜDKURIER öffentlichwurden. „Der Zeitpunkt war unglücklich“, gestand Aufsichtsratschef Brucker ein. Manuel Kohler, Ex- Außendienstler der Voba Pfullendorf, erklärte den Mitgliedern, dass diese durch ihr Tun, sprich Inanspruchnahme der Dienstleistungen vor Ort entscheiden, ob Filialen geschlossen werden oder nicht. Es war 21.52 Uhr, als die Mitglieder ihre weißen Stimmkärtchen in die Höhe halten sollten, um für eine geheime Abstimmung der Fusionspläne zu votierten, und die Mehrheit entschied sich dafür. Ein Votum, das mit lautem Beifall bedacht wurde und die Nervosität bei Vorstand und Aufsichtsrat steigerte. Auf den Tischen hatte man gelbe Stimmkarten ausgelegt, die für die geplante Fusionsabstimmung vorgesehen waren. Jetzt wurden diese Karten gegen blaue Stimmkarten ausgetauscht und die Mitglieder machten ihre Kreuze. Um 22.16 Uhr war der Wahlgang beendet, und die Zählkommission machte sich unter Aufsicht von Notarin Britta Bühler an die Arbeit. Die Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates beobachten die Auszählung und ihre Mienen verdüsterten sich zusehends.
Exakt um 22.38 Uhr verkündete Roland Brucker das Ergebnis: „146 Ja-Stimmen und 121 Nein-Stimmen.“ Damit war die in der Satzung vorgeschriebene Zustimmungsquote von 75 Prozent weit verfehlt. „Die, die keine Fusion wollen, können sich jetzt feiern“, kommentierte der Aufsichtsratsvorsitzende das Ergebnis, das doch mit hörbarem Beifall quittiert wurde. „Das ist genossenschaftliches Miteinander“, bewertete Verbandsvertreter René Heinrich das Abstimmungsergebnis, fügte aber mahnend hinzu: „Es wird für die Volksbank Pfullendorf schwer werden.“ Überzeugt ist der Bankexperte, dass „die Türen nicht verschlossen bleiben“, wie er mit Blick auf das anwesende Vorstandsduo der Meßkircher Volksbank, Markus Herz und David Winterhalder, formulierte. Um 22.52 Uhr schloss Roland Brucker diese historische Versammlung, die zu Beginn dem Aufsichtsrat und dem Vorstand schier einstimmig die Entlastung für das Geschäftsjahr 2022 erteilt hatte.
(Artikel Südkurier von Siegfried Volk)