Volksbank Pfullendorf eG - Nein zur Fusion

Generalversammlung Volksbank Pfullendorf stimmt gegen die Fusion

Meßkirch, 24. Mai 2023

Bei der Mitgliederversammlung wurde über die geplante Fusion der Volksbank Pfullendorf mit der Volksbank Meßkirch geheim abgestimmt. Dazu hatte man blaue Stimmzettel vorbereitet und Mitglieder der Zählkommission gingen mit der Wahlurne an die Tische, um diese einzusammeln (Bild Siegfried Volk)

Pfullendorf – Als historische Versammlung bezeichnete Bürgermeister Ralph Gerster die Mitgliederversammlung der vor 121 Jahren gegründeten Volksbank (Voba). Die Einordnung des Rathauschefs erfolgte aus gutem Grund – schließlich sollten die 271 Mitglieder am Dienstagabend in der Stadthalle über Historisches entscheiden – die Fusion der Volksbank Pfullendorf mit der Volksbank Meßkirch. Nach mehrstündiger Diskussion scheiterte das über Monate geplante Vorhaben. Die Rahmenbedingungen hätten sich für kleine Banken drastisch verändert, begründete Bankdirektor Werner Groß das Vorhaben und nannte beispielhaft die überbordende Regulatorik und Digitalisierung. Deshalb wolle man sich gemeinsam langfristig strategisch positionieren, und diese Herausforderungen annehmen. Die geplante Fusion sei keiner wirtschaftlichen Notlage geschuldet, erklärte Groß und versicherte: „Alle Standorte bleiben erhalten und alle Mitarbeiter werden übernommen“, wobei die Geschäftsstellen Pfullendorf und Meßkirch als Kompetenzzentren ausgewiesen würden. Geführt würde die Volksbank Meßkirch-Pfullendorf dann von einem Vorstandsquartett und überwacht von einem 13-köpfigen Aufsichtsrat, mit fünf heimischen Vertretern. Dies, obwohl die Voba Meßkirch doppelt so groß sei wie Pfullendorf. Pfullendorfer Kunden würden eine neue IBAN-Nummer erhalten, eine technisch unproblematische Lösung. Für die Jahresversammlung sollten je 50 Mitglieder künftig ein Vertreter entsandt werden. Dass der potenzielle Fusionspartner aus der Heidegger-Stadt wirtschaftlich sehr gut aufgestellt ist, bestätigte, Rene Heinrich vom Genossenschaftsverband. Er hatte die geplante Fusion begutachtet und präsentierte den Mitgliedern die Prüfergebnisse. Angesichts des Strukturwandels im Banken-und Finanzsektor mit Regulierung, Digitalisierung und neuen Wettbewerbern gab es ein klares Ja von ihm, um die Existenz der heimischen Banken langfristig zu sichern.

Dann war die Zeit für die Aussprache über die Fusionspläne gekommen. Michael Zoller erfuhr, dass die Fusion zum 1. Januar 2023 wirksam und dass die Altersstruktur in den nächsten Jahren für eine Verkleinerung des Vorstandes sorgen würde. „Wir haben eine gute Bank“, bekannte Günter Kratzer, dass er wegen der Partnersuche Bauchweh habe. Er sprach sich gegen die Fusion aus. „Zwei gesunde Banken gehen zusammen“, wies Aufsichtsratsvorsitzender Roland Brucker nochmals auf die Widrigkeiten für kleinere Geldhäuser hin. Wilfried Jerg, der im Vorfeld mehrere Anträge zum „Tagesordnungspunkt Fusion“ gestellt hatte, erinnerte an den Gründungsgedanken der Voba Pfullendorf, der nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet  gewesen sei. Zudem befürchtet er, dass „Kompetenz nach Meßkirch abwandert.“ Über Jerg’s Antrag, die Fusionsabstimmung geheim durchzuführen, musste nicht entschieden werden, da dies ohnehin in der Tagesordnung vorgesehen war. Als „komisch“ bezeichnete Walter Kaltenbach die Tatsache, dass in der Hauptversammlung 2022 kein Wort über die Fusionspläne verloren wurde, diese aber Tage später im SÜDKURIER öffentlichwurden. „Der Zeitpunkt war unglücklich“, gestand Aufsichtsratschef Brucker ein. Manuel Kohler, Ex- Außendienstler der Voba Pfullendorf, erklärte den Mitgliedern, dass diese durch ihr Tun, sprich Inanspruchnahme der Dienstleistungen vor Ort entscheiden, ob Filialen geschlossen werden oder nicht. Es war 21.52 Uhr, als die Mitglieder ihre weißen Stimmkärtchen in die Höhe halten sollten, um für eine geheime Abstimmung der Fusionspläne zu votierten, und die Mehrheit entschied sich dafür. Ein Votum, das mit lautem Beifall bedacht wurde und die Nervosität bei Vorstand und Aufsichtsrat steigerte. Auf den Tischen hatte man gelbe Stimmkarten ausgelegt, die für die geplante Fusionsabstimmung vorgesehen waren. Jetzt wurden diese Karten gegen blaue Stimmkarten ausgetauscht und die Mitglieder machten ihre Kreuze. Um 22.16 Uhr war der Wahlgang beendet, und die Zählkommission machte sich unter Aufsicht von Notarin Britta Bühler an die Arbeit. Die Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates beobachten die Auszählung und ihre Mienen verdüsterten sich zusehends. 

Exakt um 22.38 Uhr verkündete Roland Brucker das Ergebnis: „146 Ja-Stimmen und 121 Nein-Stimmen.“ Damit war die in der Satzung vorgeschriebene Zustimmungsquote von 75 Prozent weit verfehlt. „Die, die keine Fusion wollen, können sich jetzt feiern“, kommentierte der Aufsichtsratsvorsitzende das Ergebnis, das doch mit hörbarem Beifall quittiert wurde. „Das ist genossenschaftliches Miteinander“, bewertete Verbandsvertreter René Heinrich das Abstimmungsergebnis, fügte aber mahnend hinzu: „Es wird für die Volksbank Pfullendorf schwer werden.“ Überzeugt ist der Bankexperte, dass „die Türen nicht verschlossen bleiben“, wie er mit Blick auf das anwesende Vorstandsduo der Meßkircher Volksbank, Markus Herz und David Winterhalder, formulierte. Um 22.52 Uhr schloss Roland Brucker diese historische Versammlung, die zu Beginn dem Aufsichtsrat und dem Vorstand schier einstimmig die Entlastung für das Geschäftsjahr 2022 erteilt hatte.

(Artikel Südkurier von Siegfried Volk)

KOMMENTAR von Südkurier Redakteur Siegfried Volk

Vortrag mangelhaft!

Konsterniert blickten Vorstand und Aufsichtsrat in die Reihen der Voba-Mitglieder, nachdem diese die unterschriftsreife Fusion mit der Volksbank Meßkirch gecancelt hatten. Die erforderliche Mehrheit wurde klar verfehlt. Wie konnte das geschehen? Diese Frage stand den Verantwortlichen ins Gesicht geschrieben. Die Antwort ist vielschichtig und auch einfach – die Besucher erlebten ein Kommunikationsdesaster, geschuldet der allzu technokratischen Sprache, die Vorstand und Aufsichtsrat ihren Mitgliedern zumuteten. Finanztechnisch und rechtlich mögen die Erläuterungen und Paragrafenhinweise richtig gewesen sein, allein, diese nüchterne Sachebene reichte nicht aus, um die Vorbehalte, Ängste, Sorgen und teilweise nostalgisch verklärte Reminiszenzen an die Vergangenheit zu befrieden.

Es war der klassische Konflikt zwischen Emotionen und Fakten. Versäumt wurde, den Mitgliedern die dramatischen Folgen des Strukturwandels in der Finanzbranche vor Augen zu führen, und es sich im Prinzip um eine existenzielle Entscheidung handelte. Diejenigen, die mit ihrem Nein „ihre“ Bank erhalten wollen, sind möglicherweise dafür verantwortlich, dass „ihre“ Bank ins Straucheln kommt.

Versäumt wurde auch die Vorteile der Fusion näher zu erklären. Lapidare Hinweise auf Synergieeffekte reichen nicht aus, um die Furcht vor Filialschließungen zu nehmen. Sicher haben die Beteiligten während ihrer langen Verhandlungen jedes Detail zigmal diskutiert und ihre ökonomische Binnensicht gestärkt. Aber solches Insiderwissen befördert manchmal, dass die Gefühlslage des Außenstehenden aus dem Blick gerät und man nur noch auf die  Überzeugungskraft der eigenen Realität setzt.

Klar ist, dass das Kommunikationsdesaster schon vor einem Jahr begann, als die Pfullendorfer Voba-Mitglieder in der Jahresversammlung keinen Ton von diesen Plänen hörten, und wenige Tage später die Führungsriege die geplante Fusion öffentlich machte. Dieser Vertrauensverlust wirkt augenscheinlich nach. Die ganze Debatte erinnert den Beobachter an die Brexit-Diskussion in Großbritannien, die geprägt war von harten  ökonomischen Fakten der EU-Befürworter und Sehnsuchtsphrasen ihrer Gegner. Das  Ergebnis ist bekannt. Herz hat gegen Hirn verloren, und die prognostizierten katastrophalen wirtschaftlichen Auswirkungen des EU-Austritts haben sich bewahrheitet – das Land steht vor dem Abgrund.

Es bleibt der Volksbank Pfullendorf zu wünschen, dass das Votum gegen die Fusion kein Kipppunkt in ihrer 121-jährigen Geschichte wird. Jetzt müssen die Verantwortlichen in Pfullendorf neu überlegen und auch die Voba-Führung in Meßkirch wird sich ihre Gedanken machen, denn auch dort muss man auf die strukturellen Verwerfungen in der Bankenwelt reagieren. Es gilt, eine überzeugende Kommunikationsstrategie zu entwickeln und dann steht einem zweiten Anlauf nichts im Wege, oder?

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